Cancel-Culture auf dem Durchmarsch

Bundeskanzler Olaf Scholz spricht sich offen für Meinungsverbote aus und feiert sich noch dabei. In seiner Wahlkampfrede auf dem Münchner Marienplatz am 18. August – die Bayernwahl steht an – poltert er ins „Hau ab!“-rufende Publikum: „Demokratie und Freiheit ist, dass man sagen kann, dass man seine Meinung nicht sagen kann“. Und lässt höhnisch grinsend folgen: „Das ist das, was wir der AfD schon immer mal mitteilen wollten!“ Der Bundeskanzler wird zum Bundes-Canceler, die Cancel-Culture hat die Verfassungsorgane erreicht.

Diejenigen allerdings, die sich am liebsten dieser (Un-)„Kultur“ bedienen, wollen davon am wenigsten wissen. Harald Martenstein hat dies schön aufgespießt:
Von der Cancel-Culture sagen ja manche hartnäckig, es gebe sie gar nicht. Von der Stadt Bielefeld behaupten Spaßvögel das Gleiche. (Zeit.de)

Man fühlt sich ganz unschuldig

In Erinnerung mag die Aussage von Dunja Hajali sein, die 2021 im Morgenmagazin des ZDF sagte:
Man kann in Deutschland eigentlich alles sagen. Man muss dann halt manchmal mit Konsequenzen rechnen.

Dass eine freie Gesellschaft darin besteht, seine Meinung frei äußern zu können, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen – das war bis vor vielleicht 10 Jahren noch Konsens in der Bundesrepublik. Die klassisch gewordene Twitter-Replik auf Einschränkungen der Meinungsfreiheit seit Hayali ist entsprechend:

Heute im Cancel-Angebot

Harald Martenstein schreibt, er könne jede Woche eine Rubrik „frisch gecancelt“ füllen. Die Achse des Guten macht das mit den „Ausgestoßenen der Woche“ seit langem. In der letzten Woche werden aufgeführt:
Otto. Otto Walkes Filmen wird vom WDR der Warnhinweis vorangestellt: „Das folgende Programm wird, als Bestandteil der Fernsehgeschichte, in seiner ursprünglichen Form gezeigt. Es enthält Passagen, die heute als diskriminierend betrachtet werden.
Bismarck. In Hamburg möchte man das Bismarck-Denkmal vor dem Hintergrund des deutschen Kolonialismus „kontextualisieren“. Dazu gibt es im Ernst Ausschreibungen zu einem Wettbewerb der bereits 200.000 Euro verschlungen hat – bisher ohne greifbares Ergebnis. 
Maximilian Krah. Unser EU-Parlaments-Spitzenkandidat unterliegt einem Shadowban von Twitter/X, ist also in der Suchfunktion nicht auffindbar.
Kositza/Kubitschek. Eines der Kinder (!) von Ellen Kositza, der Gattin des Verlegers Götz Kubitscheck (Antaios Verlag Schnellroda) wird der Studentenjob gekündigt (wegen ihrer Eltern).
Zur Denunziation „falscher“ Meinungen wird ein „Hinweisgeberschutzgesetz“ mit der entsprechenden Meldestelle eingerichtet.

Diese Kultur erschafft nicht – sie schafft nur noch ab!

Wenn also von Cancel-Culture gesprochen wird, dann ist das keine „Kultur“, die etwas schafft, die Freude bereitet, die kulturelle Leistungen hervorbringt oder auch Früchte – und seien es „Erdbeer-Kulturen“. Nein, die Cancel-Culture schafft ab, bereinigt, nötigt zu anderen Sichtweisen, verhindert, beschädigt, pflügt andere Meinungen unter – und fühlt sich noch rechtschaffen, gut, und auf der richtigen Seite der Geschichte.

Was dabei verloren geht, ist nicht nur die Meinung dessen, der gecancelt wird. Zum Schweigen gebracht wird der ganze „Diskurs“. Denn die Opfer sind auch die Zuhörer, die Zuschauer, die Diskussionen, die nicht mehr stattfinden, die Erkenntnisse, die hätten gewonnen werden können, das Wissen, das verhindert wird.

Cancel-Culture an der Universität: Der Fall Egon Flaig

Nun hat im Juli die Universität Erlangen einen der bekanntesten deutschen Althistoriker – Egon Flaig – zu einem großen Abendvortrag zunächst ein – und dann wieder ausgeladen. Bezeichnenderweise stand die Tagung unter dem Thema „Freiheit“ – und Flaig wollte einen Vortrag mit Titel „Individuelle Freiheit gegen politische Freiheit. Die Polis im europäischen Republikanismus“ beisteuern.

Auch in der Akademischen Erasmusstiftung e.V. und der Bibliothek des Konservatismus in der Fasanenstraße in Berlin ist Flaig schon aufgetreten. Die „Weltgeschichte der Sklaverei“ ist einer seiner Buchtitel und einer seiner Arbeitsschwerpunkte. Ein Aspekt: Die Sklavenhalter und -fänger waren niemals rein westlich/weiß. So haben die Araber über eine Million Europäer in die Sklaverei geführt. In Schwarzafrika haben verfeindete Stämme gern auch „Menschenbeute“ gemacht und an europäische Sklavenhändler verkauft. Die Benin-Bronzemasken sind beredtes Beispiel dafür: Bronzearmreifen aus europäischer Produktion waren der Lohn für diese „Arbeit“ und übliches Zahlungsmittel für den Menschenhandel mit Westafrika. Aus diesen Armreifen entstanden dann die Masken.

Flaig greift die Opferpyramide an

Dies nun widerspricht dem Glauben, dass der Westen ein einziges Ausbeutersystem des schwarzen Kontinents war. Und dies ist wohl mindestens einer der Gründe, warum Egon Flaig bei Erlanger Studentengruppen als „Neurechter“ eingeordnet wird. Eben weil die von ihm mit beförderte historische Wahrheit nicht zu ihrem Weltbild passt. Weil Flaig ausspricht, was historische Wahrheit ist, dies aber „rechtspopulistische Narrative“ unterstütze, wird Flaig gecancelt. Die Wahrheit muss zurückstehen vor dem politischen Kampf und der Moral. Deutsche Gutmenschen nehmen jeden Rassismus der Weltgeschichte auf ihre starken Schultern – und sind gleichzeitig zu schwach, um andere Positionen auszuhalten und sich sachlich mit ihnen auseinanderzusetzen. 

Man will Schwarz/Weiß sehen

So wie in der Geschichte des Sklavenhandels die Guten und die Bösen nur entweder schwarz oder weiß sein dürfen, so gibt es dann gute und „böse“ Professoren. Man meint noch, aus edlen Motiven zu handeln – wenn Sprechverbote ausgeteilt werden. Und erhöht sich selbst zum über allem stehenden Sittenwächter.

Äußere Merkmale bestimmen die Kastenzugerhörigkeit

Sittenwächter gehören aber zu einer Priesterkaste – und Kasten sind wenig durchlässig. Und damit ist klar: Die Cancel-Culture will hierarchische Klassen oder Kasten, die nicht oder kaum durchlässig sind. Man meint, die Wahrheit zu besitzen: Der Weiße ist immer schuld – wegen seiner „Privilegien“, andere Ethnien immer Opfer – wenigstens aufgrund der „Verhältnisse“. Das ist das Gegenteil unserer westlichen Kultur, entstanden in der Aufklärung und gegen die Macht der Kirche.

Die Canceler als neue Sonnenkönige

Am Ende erkennen diese neuen Sitten- und Tugendwächter nicht, wie sie sich selbst einen Exzeptionalismus zuschreiben – den sie sonst für faschistoid halten. Denn sie schreiben sich selbst zu, genau für diese neue „Ordnung“ zuständig zu sein und über allen Dingen und Menschen zu stehen. Deshalb ist der Satz des Bundeskanzlers so entlarvend: „Demokratie und Freiheit ist, dass man sagen kann, dass man seine Meinung nicht sagen kann. – Das ist das, was wir der AfD schon immer mal mitteilen wollten!“ Olaf Scholz hält sich ganz selbstverständlich für einen besseren, ranghöheren, höherwertigeren Menschen, der von seiner „Wächterposition“ herunter Menschen die freie Meinungsäußerung verbieten will. Ein autoritärer Charakter mit Sonnenkönig-Attitüde – „Respekt für Dich.“ – sein Wahlkampfslogan – bleibt da hohl zurück und verrät nur noch eins: die Täuschungsabsicht.

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